St. Petrus

Erkelenz-Keyenberg | Kapellenneubau mit Begegnungszentrum | Wettbewerbskooperation mit Gregor Dewey von dbap architekten 1. Platz

In Vorbereitung des 2017 ausgelobten Architektenwettbewerbs besuchten wir die Kirchen und Kapellen in den noch bestehenden Orten Keyenberg, Kuckum und Berverath, die dem Braunkohleabbau weichen werden. Am neue Umsiedlungsort, der sich von gewöhnlichen Neubaugebieten nicht unterscheidet, fanden wir kaum Anhaltspunkte für unseren Entwurf. Diese Ansätze fanden wir vielmehr bei den Menschen vor Ort und ihrer Geschichte, geprägt von Verlust, Hoffnung und Neuanfang. Diesen Menschen Räume zu schaffen, für das Miteinander, einen Ort der Spiritualität, der Findung, der Ruhe, der Erinnerung aber auch der Hoffnung und des Neuanfangs, war uns ein Anliegen. In unserem Entwurf haben wir uns für eine nach Innen konzentrierte Anordnung der Gebäudeteile aus Sakralraum, Pfarrheim und Glockenturm entschieden, die ein mit wechselnden Höhen umgebendes Geviert bilden. Sie umschließen einen geschützten Innenhof, ein Atrium, das sich zu den jeweiligen Räumen aber auch zum Dorfplatz hin öffnet.
Der Typologie eines rheinischen Vierkanthofs und der Wegeführung eines Kreuzgangs entlehnt, betritt der Besucher über das Atrium und den Haupteingang einen Ort, der ihn räumlich und inhaltlich umschließt, in den er eintauchen und zur Ruhe kommen kann, ohne den Kontakt nach außen zu verlieren. Den Übergang vom Dorfplatz zum Inneren des Neubaus schafft eine offene, überdachte Vorhalle, die baulich den Sakralbau mit dem Glockenturm verbindet.

Das neue Gebäude orientiert sich zur Südseite, entlang der Dorfstraße, die sich dort demnächst zu einem Dorfplatz ausbilden wird. Der Sakralraum orientiert sich nach Osten zu einem städtischen Grünzug. Öffnungen, mal zweidimensional, mal räumlich aus dem Körper geschnitten, führen das Licht tages- und jahreszeitbedingt in unterschiedlichster Weise in den Raum. Über einen überdachten Durchgang erreicht man entlang des Atriums das Foyer und den Sakralraum. Mit Blick auf den Altar und die Rückwand nimmt man das große quadratische, neue Fenster auf der Ostseite wahr. Hier strömt das Morgenlicht farbig gedämpft in den Innenraum, wohingegen im Tagesverlauf sich die Zeichnungen des südwestlichen Stahlflächenfensters auf der Nordwand und am Boden der Kapelle abzeichnen.

Fester und zentraler Ort des fast quadratischen Sakralraums ist die Altarinsel mit Zelebrationsaltar und Ambo.
Das Silbergelb in den neu gestalteten Fenstern im oberen Bereich des Sakralraums, wirkt durch die Aufnahme des Lichts auch am Tage nach außen. Die Fenster tauchen den Kirchraum farblich in ein helles freundliches Licht und geben ihm eine kontemplative Atmosphäre, die den Besucher auch außerhalb der Gottesdienste zu Andacht und Meditation einlädt. Inhaltlich sind die Fenster der Schöpfung gewidmet, in die gerade im Bereich des Braunkohleabbaugebietes Garzweiler II extrem eingegriffen wird. Hier können die blauen und gelben Bereiche Wasserflächen, als auch Landmassen assoziieren. Die schwarzen und weißen Konturen sind den betroffenen Menschen zuzuordnen, die in besonderem Maße in den letzten Jahren und auch weiterhin die Einschnitte und Folgen dieser Eingriffe und Veränderungen spüren. Das Schicksal der Menschen hier vor Ort ist auch das Schicksal aller Menschen.Grundsätzlich verstehen wir den Altar und seine Verortung im Raum als Schwelle und zugleich Bindeglied zwischen dem irdischen Leben und der Vorstellung des Himmlischen. Durch die seitlichen Ausnehmungen im Stein greifen der Altarkörper und der ihn umgebende Raum ineinander, der Altar bleibt jedoch durch den verbleibenden, kreuzförmigen Stipes erdverbunden, weist aber gleichzeitig nach oben in den Raum.
Damit greift der Altar ein wesentliches Thema der Raumarchitektur auf. Der nahezu kubische Sakralraum wird ebenfalls durch zwei unterschiedlich große räumliche Ausnehmungen geprägt. Hier greifen Innenraum und Außenraum ineinander. Dem Sakralraum wird damit zwar ein Teil des Volumens genommen, gleichzeitig strömt hier mit Hilfe des Lichts und der Lichtführung durch die Ausnehmungen in der Cortenfassade der Außenraum in die Kapelle. Die Ausnehmungen wie auch die Auskragungen des Altars und Ambos weisen zugleich auf das Fehlende, das Verlorene hin.
Dies entspricht im übertragenen Sinne den Einschnitten im Leben der Menschen, die hier vieles verloren haben und sich in einer veränderten Lebenssituation neu gründen und verbinden müssen.

Im Zuge der Weiterentwicklung unseres Wettbewerbsentwurfs, haben wir durch die Anregung und im Austausch mit dem Theologieprofessor Gregor Maria Hoff, ergänzend zum Gesamtkonzept einen Ort oder auch einen Weg unterhalb der Kolonnade zwischen Turm und Kapelle baulich entwickelt, der den Umsiedlern und Umsiedlerinnen Raum bietet für eine sich zu entwickelnde und zu begleitende Vermissens- und Erinnerungskultur.Der Ort der Erinnerung oder auch Weg der Erinnerung beginnt vom Dorfplatz ausgehend am Eingang des Glockenturms. Dort gelangt man über die Treppe in das Untergeschoss und in den Ort der Erinnerung, dessen Weg wiederum über eine Treppe in den Kapellenraum mündet.Wir beabsichtigen mit dem unterirdischen Ort einen Raum für die Gemeinden anzubieten, zur Erinnerung, Interaktion und Reflektion ihrer kollektiven und persönlichen Erfahrungen, mit der Perspektive, das aus einem Ort des Vermissens ein Ort der Erinnerung erwächst.

Das Begegnungszentrum St. Petrus mit Kapelle, Pfarrzentrum, Ort der Erinnerung und Glockenturm wurde am 19.06.2022 feierlich geweiht und an die Gemeinde übergeben.

Gregor Dewey | Jürgen Drewer

St. Petrus

Erkelenz-Keyenberg | 2022

Baubeginn: 04.09.2020 | Einweihung:19.06.2022
Umbauter Raum: ca. 7.000 cbm | Nutzfläche: ca. 830 qm

Material + Abmessungen Fenster
Überfangglas | geätzt | Malerei mit Silbergelb + Schwarzlot | Sandstrahlung
Fenster Osten H 450 cm | B 450 cm | Fenster Süden H 450 cm | 160 cm
Fenster Westen H 450 cm | 160 cm | Marienfenster H 450 cm | 160 cm

Realisierung mit Glasmalerei Hein Derix | Kevelaer
Ausführung mit | Berthold Janke | Antek Nikrant

Material + Abmessungen Fassade
Cortenstahl | gelasert | H 800 cm | B 900 cm

Realisierung
Metallbau Van Vlodrop | Viersen

Material + Abmessungen Altarinsel
Travertin de medici | B 300 cm | L 450 cm
Altar H 95 cm | B 100 cm | T 100 cm
Ambo H 115 cm | B 50 cm | T 60 cm

Material + Abmessungen Petrusfels (Patronat)
Travertin de medici
H 160 cm | B 130 cm | T 70 cm

Realisierung Stein
Naturstein Lindholm Steinmetz | Erkelenz

Material + AbmessungenTaufort
Ölmalerei auf Putz | H 250 cm | B 530 cm | T 200 cm

Projektbegleitung
Dr. Anna Maria Wellding | Merit Wirtz | Hans-Jürgen Röls | alle Bistum Aachen

Architektur | Wettbewebskooperation mit Gregor Dewey | dbap architekten
Mitwirkende Ronja Danner | Birgit Dewey | dbap architekten
Konzeption Ort der Erinnerung | Marie Dewey | Johannes Zerfass Architekturstudenten der RWTH Aachen

Fotos © Thomas Dewey

Anschrift + Öffnungszeiten (Marienkapelle)
Westricher Str. (neu) | 41812 Erkelenz
Sonntag | Dienstag | Donnerstag | 9:30 bis 17:00

weitere Informationen: Heimatverein Erkelenz | Virtuelles-museum